Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung des detailierten und würdigenden Nachrufs von apl. Prof. Dr. Hermann-Josef Große Kracht. Den ausführlichen Originaltext finden Sie auf Soziopolis.de.
Der Bielefelder Soziologe Franz-Xaver Kaufmann, ein bedeutender Akademiker in der Sozialpolitikforschung und ein lebenslanges Mitglied der katholischen Kirche, ist am 7. Januar 2024 im Alter von 91 Jahren verstorben. Über sechs Jahrzehnte prägte Kaufmann soziale Debatten und war bekannt für seine nüchterne Beobachtungshaltung, ohne Parteilichkeit in der Politik. Seine erste Arbeit „Die Überalterung“ von 1960 erörterte den demografischen Wandel, ein Thema, dem er sich kontinuierlich widmete.
Geboren am 22. August 1932 in Zürich, studierte Kaufmann zunächst Jura, bevor er zu Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen wechselte. Ein Jahr in Paris an der Sorbonne beeinflusste seine soziologische Ausrichtung stark. Nach seiner Promotion und einer Zeit in der Industrie entschied er sich für eine akademische Karriere und begann seine „soziologische Lehrzeit“ an der Sozialforschungsstelle Dortmund, wo er Kontakte zu bedeutenden Soziologen wie Niklas Luhmann knüpfte.
Kaufmanns Habilitationsschrift fokussierte sich auf die „Wertidee“ der sozialen Sicherheit und legte den Grundstein für seine späteren Arbeiten im Bereich des Wohlfahrtsstaates. 1969 nahm er einen Ruf an die neu gegründete Reformuniversität Bielefeld an, wo er entscheidend am Aufbau der Soziologie-Fakultät beteiligt war. In den späten 1980er-Jahren entwickelte er eine Theorie des Wohlfahrtsstaates, die sowohl dessen Notwendigkeit als auch die Kritik an seiner Realität beinhaltete.
Neben seiner akademischen Karriere engagierte sich Kaufmann in der katholischen Kirche und wurde zu einem wichtigen Kritiker, insbesondere hinsichtlich des Umgangs der Kirche mit Missbrauchsskandalen. Trotz seiner Kritik blieb er der Kirche treu und vertrat die Ansicht, dass das christliche Gottesgedächtnis öffentlich präsent bleiben müsse.
Kaufmanns Einfluss reichte weit über die Sozialpolitikforschung hinaus und prägte Generationen von Wissenschaftlern. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke in der akademischen und kirchlichen Welt.