Angesichts der zunehmenden Gefährdung von sozialethischen Lehrstühlen im deutschsprachigen Raum hat die AG CSE im Jahr 2018 ein Positionspapier verabschiedet. Darin geht sie auf die akademische und theologische Kurzsichtigkeit ein, die mit einer Verdrängung der Sozialethik verbunden ist. Sie macht deutlich, warum die Sozialethik für den Fächerkanon der Katholischen Theologie sowie den Beitrag der Kirche für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft konstitutiv ist.
Das Positionspapier wurde im JCSW 2018 veröffentlicht und ist nicht nur in deutscher, sondern auch in englischer, italienischer und spanischer Sprache verfügbar.
Nachfolgend wird der Wortlaut des Positionspapiers dokumentiert.
Die Bedeutung Christlicher Sozialethik für Gesellschaft, Universität, Theologie und Kirche.
Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik[1]
1. Anlass des Schreibens: Handlungsbedarf für sozialethische Forschungskompetenz
Dieses Schreiben richtet sich an Entscheidungsträger in Wissenschaft, Kirche und Politik, die Einfluss auf die Zukunft der Katholischen Theologie haben, sowie an unsere theologischen Kolleginnen und Kollegen. Den Sozialethikerinnen und Sozialethikern des deutschsprachigen Raumes erscheint es als Gebot der Stunde, deutlich zu machen, warum die Sozialethik für den Fächerkanon der Katholischen Theologie sowie den Beitrag der Kirche für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft konstitutiv ist. Gerade weil dieser Beitrag in der vielfach pluralisierten Gesellschaft in neuer Weise begründet und ausgestaltet werden muss, sind wissenschaftlich fundierte Reflexion, Sprachfähigkeit und Differenzierung unerlässlich.
Der konkrete Anlass unseres Schreibens ist folgender: Während die Bandbreite und Komplexität des Aufgabenfeldes der Christlichen Sozialethik enorm zugenommen haben, ist eine Verdrängung oder das Fehlen genuin sozialethischer Professuren an theologischen Fakultäten und damit sozialethischer Forschungskompetenz zu bemerken. Sollte aufgrund zurückgehender Studierendenzahlen die Anzahl der Universitätsprofessuren an Fakultäten oder an den auf Lehrerausbildung fokussierten universitären Einrichtungen reduziert werden müssen, ist häufig die Christliche Sozialethik gefährdet. Akademisch und theologisch ist dies kurzsichtig.
2. Wachsende Verantwortung in einer Zeit historischer Umbrüche
Wir leben in einer Zeit weltweit beschleunigter Veränderungsprozesse und tiefer sozialer, ökologischer, ökonomischer und kultureller Umbrüche. Einiges spricht dafür, dass es sichum einen komplexen Wirkungszusammenhang handelt, der dazu herausfordert, die grundlegenden ethisch-politischen Weichenstellungen der Moderne mit ihrem Verständnis von Fortschritt, Demokratie und offener Gesellschaft neu zu reflektieren und für die veränderten Bedingungen des frühen 21. Jahrhunderts weiterzuentwickeln. Das Bewusstsein ökologischer Grenzen, die friedliche Koexistenz unterschiedlicher Kulturen auf engem Raum, wirksame Korruptionsbekämpfung und faire Entwicklungszusammenarbeit – um nur einige Beispiele zu nennen – sind zu Überlebensbedingungen unserer Zivilisation geworden.
Die derzeitige Situation der Menschheit, in der die verschiedenen Kontinente, Nationalstaaten und Völker zusammenwachsen, wirft auf allen Ebenen erhebliche Gerechtigkeitsfragen auf. Unter anderem muss beantwortet werden, was Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im gegenwärtigen globalen Wandel bedeuten und wie diese ihre normative Wirkung unter den Bedingungen von Freiheit, Pluralität, demographischem und digitalem Wandel sowie komplexer Wirtschafts– und Finanzsysteme und nicht zuletzt fragiler Zustimmung zu den Institutionen internationaler Politik entfalten können. Besonders bedrängende Fragen, die sich heute auf neue und existentielle Weise stellen, sind die notwendige Abwendung bzw. Milderung der Überhitzung der Erdatmosphäre sowie – eng damit verbunden – die Herausforderungen von Migration, Friedenssicherung und Menschenrechtsverletzungen.
In der Einleitung zur Apostolischen Konstitution über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten Veritatis Gaudium (2018) werden diese Fragen explizit aufgegriffen und wird auf notwendige Konsequenzen in der Wissenschaft, insbesondere in der katholischen Theologie, hingewiesen. Papst Franziskus traut der Theologie zu, einen Beitrag zu leisten, die globale Entwicklung nachhaltig und gerecht zu gestalten. In den konkreten kirchlichen Rechtsnormen fehlt jedoch bislang die praktische Umsetzung. Konsequenter Weise sollte etwa die Christliche Sozialethik in der theologischen Ausbildung gestärkt werden, indem sie in den Kanon der theologischen Pflichtfächer aufgenommen und ihre Entfaltung in den weltweit sehr unterschiedlichen Kontexten gestärkt wird.
3. Die Bedeutung der Sozialethik als interdisziplinäres Brückenfach
Das Bewusstsein für die soziale Dimension des christlichen Glaubens findet Ausdruck in vielfältigem Engagement für leidtragende und arme Bevölkerungsgruppen. Seit Beginn des Industriezeitalters wird es durch eine eigenständige theologisch-sozialethische Reflexion begleitet und durch die lehramtliche Sozialverkündigung unterstützt. Die Notwendigkeit der Reflexion ergab sich aus der Erfahrung, dass sozial-caritatives Engagement, welches das Christentum von seinen Ursprüngen her begleitet hatte, in modernen anonymen Großgesellschaften nicht ausreichte, um auf die drängende soziale Frage im Zuge der Industrialisierung zu antworten. Es zeigte sich, dass Gerechtigkeit primär strukturell und nicht mehr nur durch individuelle Barmherzigkeit für alle zu gewährleisten ist. Dementsprechend bedurfte und bedarf es im Fächerspektrum der Theologie einer neuen Art wissenschaftlicher Reflexion komplexer gesellschaftsethischer Zusammenhänge.
Heute hat sich die Soziale Frage auf die Welt als Ganze erweitert. Das bedeutet, dass sich auch die Theologie deutlich globaler ausrichten muss. Christliche Sozialethik wird zu einer der theologischen Disziplinen, welche in dieser Perspektive die Thematisierung, die interdisziplinäre Vernetzung und die wechselseitige Erschließung theologischer Gehalte und sachspezifischen Wissens leisten. Hinsichtlich der Methodik ist zu einer Weiterentwicklung klassisch naturrechtlicher und anthropologischer Argumentation die Arbeit mit Hilfe anderer theologischer, philosophischer und sozialwissenschaftlicher Ansätze hinzugekommen. Darunter sind praxis-, handlungs-, kommunikations- und vertragstheoretische, neoaristotelische und systemtheoretische Ansätze vertreten. Sie alle haben zu einem differenzierteren Verständnis von Gerechtigkeit geführt. Da die Gesellschaft heute in eine neue Stufe der Pluralisierung und internationalen Verflechtung eingetreten ist, sind von dem theologischen Fach Sozialethik verstärkte Anstrengungen für interkulturelle und transnationale, aber auch interreligiöse Lernprozesse gefordert, um im Dialog mit Anderen allgemein akzeptanzfähige, zeitgemäße und praktikable Gerechtigkeitsnormen für freiheitliche und soziale Welt– und Gesellschaftsordnungen zu formulieren.
4. Der Nutzen der Sozialethik für Gesellschaften der Zukunft
Gesellschaften können die Verantwortung für ihre Zukunft nur wahrnehmen, wenn es in ihnen Orte für verständigungsorientierte Diskurse gibt, an denen möglichst alle Betroffenen aus unterschiedlichen Perspektiven beteiligt werden. Die Christliche Sozialethik mit ihren akademischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Gesprächsforen war in der Vergangenheit ein solcher Ort und hat die ethisch-politische Grundorientierung der Bundesrepublik Deutschland mitgeprägt. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist der Beitrag Christlicher Sozialethik zur Etablierung sozialstaatlicher Sicherungssysteme in Verbindung mit marktwirtschaftlicher Freiheit. Auch in Bezug auf Analysen und Wertorientierungen in der aktuellen Migrationsdebatte leistet die Christliche Sozialethik ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander im Sinne der Ärmsten und Verwundbarsten. Darüber hinaus engagiert sich Christliche Sozialethik im Blick auf den europäischen Integrationsprozess, der ein entscheidendes Bewährungsfeld für die Zukunft der Demokratie darstellt, sowie in der Frage, wie in einer digitalisierten Lebenswelt Verantwortung zum Wohl aller Beteiligten wahrgenommen werden kann. Die hohe außerkirchliche Nachfrage nach Sozialethik in der ethischen Beratung und Begleitung von staatlichen Organisationen, Parteien, Verbänden, Vereinen, Wirtschaftsunternehmen und Bildungseinrichtungen zeigt deutlich, dass Theologie auch in säkularer Öffentlichkeit gefragt und ihr Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt erwünscht ist.
5. Die Relevanz der Sozialethik für eine verantwortete Zeitgenossenschaft der Kirche
Wachsende Relevanz kommt der Christlichen Sozialethik aber auch innerkirchlich zu: Gerade in den letzten Jahrzehnten haben die Päpste bedeutende Enzykliken zu sozialethischen Themen veröffentlicht (Franziskus: Laudato si‘, Benedikt XVI.: Caritas in veritate, Deus caritas est, Johannes Paul II.: Centesimus annus, Sollicitudo rei socialis, Laborem exercens). Die große Resonanz, die die Enzyklika Laudato si‘ weltweit findet, macht es nötig, die dadurch angestoßenen Diskurse über Humanökologie und Nachhaltigkeit auch auf wissenschaftlicher Ebene weiterzuführen, damit nicht Erwartungen an die Theologie geweckt werden, für die dann keine fachlichen Kompetenzen unter katholischen Theologen vorhanden sind. Gerade weil die Kirche bisweilen sehr verzögert die Zeichen der Zeit erkannt und entsprechende Wandlungsprozesse nur widerstrebend gefördert hat, erweist sich ein interdisziplinäres „Brückenfach“ zwischen Kirche und Gesellschaft bzw. Sozial-, Human– und Umweltwissenschaften für eine verantwortete Zeitgenossenschaft und notwendige Lernprozesse innerhalb der Kirche selbst als unverzichtbar. Vor allem dank der Kompetenzen Christlicher Sozialethik erwächst der Kirche ihre Sprachfähigkeit in aktuellen gesellschaftlichen Fragen.
Im Brennpunkt aktueller Konflikte der zugleich globalen und von tiefen Verwerfungen zerrissenen Weltgesellschaft zeigen sich bedrängende sozialethische Herausforderungen. Zu deren Lösung aktiv beizutragen ist heute eine wesentliche Glaubwürdigkeitsprobe für das öffentliche Vertreten der christlichen Heilsbotschaft. Dazu bedarf es jedoch einer reflektierten Verbindung theologischer Grundeinsichten mit gesellschaftstheoretischer Kompetenz. Christliche Sozialethik ist dabei selbst ein Ort offener und kontroverser Diskurse, jedoch im Sinn einer Orientierung und Reflexion christlicher Glaubensüberzeugungen in und für moderne Gesellschaften. Während die Entwicklung der katholischen Soziallehre bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wesentlich durch sozialethische Impulse aus Deutschland geprägt wurde, sind seither die ordnungspolitischen, wirtschafts-, sozial-, friedens– und umweltethischen Diskurse stärker global geprägt und fordern heute eine weitere Internationalisierung sozialethischer Forschung. Die Christliche Sozialethik ist ein unverzichtbarer Ort des wissenschaftlich fundierten Ringens der Weltkirche um verantwortete Zeitgenossenschaft in einer sich globalisierenden Welt.
6. Bedeutung der Sozialethik für ökumenische, interreligiöse und interkulturelle Dialoge
Praktische ethische Probleme, die alle betreffen und die nur in gemeinsamer Verantwortung zu lösen sind, fordern eine Verständigung mit Menschen und Institutionen anderer Konfessionen, Religionen und Kulturen, sowie nicht zuletzt auch mit Menschen nichtreligiöser Weltanschauung. In diesem Kontext leistet das Fach Sozialethik einen wichtigen Beitrag dazu, dass die katholische Theologie für diese interkonfessionellen, interreligiösen und interkulturellen Dialoge kompetent und sprachfähig wird. Sie kann in einer religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft eine wichtige Funktion als Brückenbauerin und Vermittlerin zu anderen religiös verankerten Ethiken wahrnehmen und trägt mit ihren Reflexionen zu Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zur Ermöglichung von Kooperation und Konfliktlösung trotz unterschiedlicher Interessen und Überzeugungen bei.
Gerade in den letzten Jahren wurden innovative Ansätze einer ökumenischen, interreligiösen und pluralismusfähigen Christlichen Sozialethik erarbeitet. Dabei geht sie davon aus, dass sich Eigen– und Fremdperspektive wechselseitig bereichern und gerade die sozialethische Dimension der christlichen Theologie Wege für eine Verständigung mit Anders– und Nichtglaubenden eröffnen kann. So ist die christliche Sozialethik zu einem Impulsgeber der Ökumene und einem Kraftfeld der interreligiösen und interkulturellen Kooperation geworden.
7. Die Unverzichtbarkeit der Sozialethik für theologische Fakultäten und Universitäten
Christliche Sozialethik ist besonders an Universitäten im deutschsprachigen Raum vielfach in interdisziplinäre Graduiertenkollegs, Exzellenzcluster, Forschungsschwerpunkte oder fakultätsübergreifende Studiengänge eingebunden. Sie steht in herausragender Weise für die Sichtbarkeit und Produktivität der Theologie in der Wissenschaftslandschaft und in der akademischen Welt.
Aber auch für die wissenschaftliche Theologie selbst ist die Sozialethik von besonderem Wert. In ihr kommen die großen ethischen Herausforderungen der „Welt von heute“ (Gaudium et spes) zur Sprache, an denen die Kirche als Ganze nicht vorbeigehen darf, wenn sie nicht unglaubwürdig werden will. So gesehen öffnet die christliche Sozialethik stellvertretend für die katholische Theologie säkulare Themenfelder, an denen sich die Relevanz der Theologie für kritische Zeitgenossenschaft und die Befähigung der Kirche zur Mitgestaltung der (Welt-)Gesellschaft in besonderer Verantwortung für die Armen und Marginalisierten erweist.
Die strukturethischen Themenstellungen und die dafür erforderlichen interdisziplinär-gesellschaftstheoretischen Zugänge der Christlichen Sozialethik unterscheiden sich fundamental von den Methoden anderer theologischer Disziplinen – auch jener der Moraltheologie. Schon für sich alleine ist die Spannweite der Kompetenzanforderungen an Sozialethikerinnen und Sozialethiker, die u.a. Aspekte von Wirtschafts-, Politik– und Rechtswissenschaften sowie von Soziologie, Ökologie und Politischer Philosophie umfasst, extrem hoch. Deshalb ist die disziplinäre Arbeitsteilung zwischen Moraltheologie und Sozialethik ein Erfordernis wissenschaftlicher Redlichkeit. Die – bereits in einigen Fällen geschehene – Zusammenlegung moraltheologischer und sozialethischer Lehrstühle und die damit verbundene Reduktion theologisch-ethischer Kapazitäten in Forschung und Lehre wirken gegenüber den zunehmenden Herausforderungen der Zeit kontraproduktiv.
8. Zum Stellenwert der Sozialethik in der theologischen Ausbildung
Da der Einsatz für Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung und „universale Brüderlich-keit“ (Veritatis Gaudium, Nr. 4) ebenso wie eine solidarische Überwindung der drängenden Sorgen und Nöte der Menschen unverzichtbare Bestandteile der christlichen Glaubenspraxis sind, ist es wünschenswert, dass alle Gläubigen Kompetenzen in sozialen Fragen erwerben, insbesondere jene, deren pastorale Aufgabe es ist, andere in ihrer Glaubenspraxis zu begleiten und zu unterstützen. Eine kompetente Auseinandersetzung mit den relevanten „sozialen Fragen“ ist für die Kirche deshalb von großer Bedeutung, weil sie durch ihre diakonischen und im weiteren Sinne „politischen“ Aktivitäten in der Gesellschaft in erheblichem Maße glaubwürdig wird und sichtbar von der befreienden Botschaft des Evangeliums Zeugnis ablegen kann. Um die Studierenden der Theologie für ihre spätere Berufstätigkeit im Blick auf die aktuellen Fragen gesellschaftlicher Ordnung und die ethischen Auseinandersetzungen mit neuen Problemen der Zeit zu qualifizieren, ist das Fach Sozialethik unverzichtbar.
Entsprechend wird die „Christliche Gesellschaftslehre“ in der „Rahmenordnung für die Priesterausbildung“ der Deutschen Bischofskonferenz (vom 01.12.1988 in der Fassung vom 12.03.2002) zum „unverzichtbaren Bestand“ des Studiums der Katholischen Theologie gezählt und in den „Kirchliche[n] Anforderungen an die Modularisierung des Studiums der Katholischen Theologie (Theologisches Vollstudium) im Rahmen des Bologna-Prozesses“ (07.07. 2008) mit fester Stundenzahl als unabdingbar für ein vollständiges Studium der katholischen Theologie ausgewiesen. Auch zur Vorbereitung eines fachlich qualifizierten Religionsunterrichts ist die christliche Sozialethik in den deutschen Lehramtsstudiengängen vorgesehen, so z.B. in den „Kirchlichen Anforderungen an die Religionslehrerbildung“ vom 23.09.2010.
Die Weltkirche fragt in besonderer Weise Inhalt und Ausbildungsprogramm des Fachs nach. Das zeigt sich einerseits am hohen Anteil ausländischer Absolventinnen und Absolventen im Promotionsstudium Christlicher Sozialethik in Deutschland, der ca. 39 Prozent beträgt (im Durchschnitt aller Fächer der Katholischen Theologie in Deutschland liegt er bei ca. 22 Prozent).[2] Andererseits lässt sich dies an zahlreichen nicht nur interdisziplinären, sondern auch internationalen Kooperationszusammenhängen ablesen, in die Fachvertreter*innen eingebunden sind. Damit leistet das Fach einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung theologischer Reflexion und zur Qualifizierung von Akteuren auf weltkirchlicher Ebene.
9. Zusammenfassung
Während die Aufgaben und Problemstellungen der theologischen Disziplin der Christlichen Sozialethik enorm gewachsen sind, ist die Anzahl der sozialethischen Lehrstühle an theologischen Fakultäten und Instituten im Abnehmen begriffen. Wo aufgrund zurückgehender Studierendenzahlen Fakultäten geschlossen werden bzw. die Anzahl der Lehrstühle zurückgeht, gehört die Sozialethik häufig zu den besonders gefährdeten Fächern.
Angesichts der weltweit wachsenden Gerechtigkeits-, Friedens– und Nachhaltigkeitsprobleme kann die Kirche ihre Verantwortung für die Zukunft der Menschheit jedoch ohne intensive sozialethische Forschung und Lehre nicht angemessen wahrnehmen. Die veränderten Konstellationen christlicher Verantwortung in einer sich pluralisierenden und globalisierenden Welt sowie die Komplexität der dabei zu berücksichtigenden Referenzwissenschaften verlangen nach methodischem und inhaltlichem Grund– und Fachwissen für das Übersetzen des christlichen Glaubens in die Gegenwart säkularer und pluraler Gesellschaften. Ein Glaube, der zur Wahrnehmung von Verantwortung befähigen will, ist auf sozialethische Kompetenzen angewiesen. Als Reflexion verantworteter Zeitgenossenschaft gehört die Christliche Sozialethik deshalb zum unverzichtbaren Kernbestand der Theologie. Sie ist daher an jenen Orten, wo sie als eigenständige Disziplin bereits etabliert ist, wie insbesondere im deutschsprachigen Raum, zu erhalten, und darüber hinaus proaktiv strukturell weiter auf– und auszubauen.
Die nötigen Weichenstellungen zur strukturellen Sicherung sozialethischer Kompetenz in Theologie und Kirche stehen in den kommenden Jahren an. Deshalb appellieren wir an unsere Kolleginnen und Kollegen aus der wissenschaftlichen Theologie und der Hochschulpolitik, an die Bischöfe und alle Vertreter der Weltkirche sowie an die politisch Verantwortlichen, die nötigen Rahmenbedingungen und Ressourcen für die Arbeitsfähigkeit Christlicher Sozialethik zu sichern und zu stärken.
Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik am 23.03.2018.